Bernhard Felderer - Direktor 1991-2012

Biografie

1959-1964 Volkswirtschaftliches und rechtswissenschaftliches Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Promotion Juli 1964.

1964-1966 Studium der Wirtschaftswissenschaften an der “Faculté de Droit et Sciences Economiques” der Universität Paris.

1967-1968 Visiting Professor an der University of North Carolina, Chapel Hill, USA.

1968-1974 Assistent am Institut für Wirtschaftspolitik und Wirttschaftsforschung der Universität Karlsruhe, mit selbständigen Lehraufträgen auf den Gebieten: Mikro- und Makroökonomische Theorie, Wirtschaftspolitik, Ökonometrie.

November 1973 Habilitation im Fach Volkswirtschaftslehre an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Karlsruhe mit einer empirischen Arbeit über die Wettbewerbsintensität auf Arbeits- und Kapitalmärkten in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland.

1974-1991 Professor für Volkswirtschaftslehre, zunächst im Seminar für Finanzwissenschaft, dann ab 1987 Geschäftsführender Direktor des Staatswissenschaftlichen (Volkswirtschaftlichen) Seminars der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln. Lehrtätigkeit vor allem auf folgenden Gebieten: Makroökonomische Theorie, Wirtschaftspolitik, Wachstumstheorie, Bevölkerungsökonomie, Verteilungstheorie.

1974 mehrmonatiger Studienaufenthalt an amerikanischen Universitäten, insbesondere State University of New York.

1977 halbjährige Forschungs- und Lehrtätigkeit auf Einladung der sowjetischen Akademie der Wissenschaften im ökonomischen Institut des Wissenschaftszentrums Novosibirsk (Direktor: A.G. Aganbegjan) und im zentralen ökonomisch-mathematischen Institut in Moskau.

1987-1988 Akademiestipendium der Volkswagenstiftung.

1991-1995 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum.

1995-2005 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln.

1991-2012 Direktor des Instituts für Höhere Studien, Wien.
 

Wissenschaftlicher Werdegang von Bernhard Felderer,

skizziert von seinem Nachfolger Christian Keuschnigg

Die Hauptarbeitsgebiete von Professor Felderer waren und sind die makroökonomische Theorie und Politik, die Bevölkerungsökonomie und mit der Bevölkerungsentwicklung verbundene sozial- und wirtschaftspolitische Fragen.

In diesen Bereichen hat er viele Ideen zur wissenschaftlichen Diskussion in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Büchern und anderen Publikationsorganen beigetragen. Im Bereich der makroökonomischen Theorie ist das Lehrbuch, das er zusammen mit Stefan Homburg geschrieben hat, seit Mitte der Achtzigerjahre das meist verkaufte makroökonomische volkswirtschaftliche Lehrbuch in Deutschland und Österreich und das einzige Makro-Lehrbuch europäischen Ursprungs, das sich nicht nur in den USA erfolgreich behaupten konnte, sondern in vier weitere Sprachen übersetzt worden ist. Zu diesen makroökonomischen Grundüberlegungen gehört auch die Frage der realen Staatsquote, ihre Zunahme und ihre Begrenzung. Dazu hat Professor Felderer mehrere Aufsätze in der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschrift „Finanzarchiv“ und z. B. auch als abgedruckten Vortrag einer Konferenz in Moskau 1995 im Deutschen Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien veröffentlicht. Die langfristige dynamische Sicht einer Volkswirtschaft hat in mehreren wachstumstheoretischen Aufsätzen ihren Niederschlag gefunden, wie z. B. in dem Beitrag „Neoclassical Growth with Microeconomic Foundations“ im Journal of Economics.

Die ökonomische Theorie ist in den Schriften von Professor Felderer oft eng verbunden mit demographischen Trends und Theorien. Dazu hat er zwei Bücher und eine lange Reihe von Aufsätzen veröffentlicht. Das Buch „Wirtschaftliche Entwicklung bei schrumpfender Bevölkerung“, im Springer Verlag 1983 erschienen, war international das erste Werk, das sich mit Hilfe der modernen ökonomischen Theorie mit der offenbar unvermeidlichen Schrumpfung der Bevölkerung beschäftigt hat und neben einem Überblick über ältere Literatur viele theoretische und empirische Anregungen liefert. Das Buch „Bevölkerung und Wirtschaftsentwicklung“, das Professor Felderer mit Martin Sauga, Campus Verlag 1988, geschrieben hat, gibt in einer allgemein verständlichen Art und Weise einen Gesamtüberblick über die Wirkungen der Beschleunigung und der Verminderung von Bevölkerungswachstum auf die Wirtschaft. Das Buch war sehr erfolgreich und bald vergriffen, eine neu bearbeitete Auflage ist seit Jahren geplant. Bevölkerungsökonomische Überlegungen haben zu Beiträgen geführt, wie „New Issues in Public Pension Economics“ im Journal of Economics 1994, oder „Family Allowances as Welfare Improvements“ (mit Klaus Ritzberger), Journal of Economics 1995. Im letzteren Beitrag wird formal bewiesen, dass in einem Modell mit überlappenden Generationen Kinder externe Effekte auslösen, sodass nur durch eine Kompensation derer, die Kinder aufziehen, eine wohlfahrtsoptimale Situation erreicht werden kann.

Weitere Themen, die mit dem demographischen Prozess zusammenhängen, waren z. B. demographische Einflüsse auf den Sparprozess (Kredit und Kapital, 1991) oder: „Does a Public Pension System Reduce Savings- and Birth Rates?“, JITE 1992. Oder: „Can Public Policy help to Stabilize Social Security Systems?“ oder: „Immigration Labour Market and Structural Adjustment“, beide Beiträge in Sammelbänden erschienen. „Austrian Demography and Housing Demand: Is There a Connection?“ mit C. Helmenstein, G. Lee und P. Schmidt-Dengler, in: Empirica 2001.
Insbesondere seit der Übernahme der Funktion als Direktor des Instituts für Höhere Studien in Wien war Professor Felderer mit einer breiten Palette von wirtschaftspolitischen Fragen beschäftigt, die sich in zahlreichen Publikationen niedergeschlagen haben. Die meisten dieser Publikationen sind in Discussion Papers des Instituts für Höhere Studien erschienen. Viele dieser Beiträge beschäftigen sich mit Fragen des Wirtschaftsstandortes, mit Fragen der Deregulierung oder Reregulierung von Märkten, wie z.B. der von den freien Berufen erbrachten Dienstleistungen, technische Fragen von Länder-Ratings, der Evaluation von Forschung, der Fragen der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung und Effizienz von Infrastrukturinvestitionen, etc.

20 Jahre für das IHS

Die Entwicklung des IHS unter der 20jährigen Leitung durch Prof. Bernhard Felderer lässt sich am besten an ein paar markanten Kennzahlen darstellen.

Am Beginn der Amtszeit Felderer 1991 verfügte das IHS über 35 wissenschaftliche Mitarbeiter in den fünf Abteilungen „Betriebswirtschaft und Operationsresearch“, „Mathematische Methoden und Computerverfahren“, „Ökonomie“, „Politikwissenschaft“ und „Soziologie“. Im Jahr 2012 gab es nur mehr drei Abteilungen (Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft), dafür hatte sich die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit 96 Personen über die Zeit nahezu verdreifacht. Dieses Wachstum war nicht zuletzt in einer stetigen Zunahme der Forschungsprojekte begründet. Hierbei sei besonders erwähnt, dass sich Prof. Felderer unermüdlich der Akquisition von neuen Aufträgen widmete, was sich am Ende in der Zahl der abgewickelten Projekte niederschlug. Während die einst fünf Abteilungen im Jahr 1991 gemeinsam etwa 23 Projekte/Studien abgewickelt haben, wurden im Jahr 2012 mit 144 etwa sechs Mal soviele Aufträge und Forschungsprojekte ausgeführt. Diese Entwicklung lässt sich auch an der budgetären Situation des Instituts ablesen. So hat sich der Anteil der Erlöse aus der angewandten Forschung über zwei Jahrzehnte von ursprünglich 16 % der Gesamteinnahmen auf über 45 % gesteigert. Gleichzeitig gelang es Prof. Felderer durch beharrliches Verhandeln den öffentlichen Subventionsgebern über die Jahrzehnte immer wieder beträchtliche Summen abzuringen, indem er die große Relevanz der Ausbildungsfunktion sowie einer unabhängigen Grundlagenforschung am IHS herausstrich.

In Felderers Amtszeit fanden am IHS viele renommierte Konferenzen und Workshops statt bei denen dank der ausgezeichneten internationalen Vernetzung des Direktors viele renommierte Persönlichkeiten des Wissenschaftsbetriebs ans IHS gebracht werden konnten. Diese Tätigkeiten fanden auch in der prominenten Rednerliste anlässlich der 40-Jahr-Feier des IHS ihren Ausdruck. Nach der Eröffnung durch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, hielten Kenneth Rogoff, Sir James Mirrlees (1996), Jean-Pascal Benassy, Robert Aumann (2005), George Tsebelis, Elinor Ostrom (2009) und Renate Mayntz Vorträge aus den drei Fachrichtungen des Instituts. Während Sir Mirrlees bereits damals den Nobelpreis innehatte, haben später zwei weitere Mitwirkende dieses Jubiläums einen Nobelpreis zugesprochen bekommen.
Ein anderes herausragendes Beispiel für die gute Vernetzung des IHS und seines langjährigen Direktors ist an dieser Stelle auch noch zu erwähnen. Im Jahr 2006 fand in Wien die gemeinsame Konferenz der European Economic Association (EEA) und der Econometric Society (ESEM) statt, nachdem sich das IHS erfolgreich um die Organisation und Abwicklung dieses Events bemüht hatte. Damit war das IHS in Kooperation mit der Universität Wien Gastgeber für etwa 2000 Ökonomen aus der ganzen Welt.

Eine weitere wichtige Funktion des IHS war seit Anbeginn die Ausbildungstätigkeit. In den Bereichen Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie bot das IHS seit 1964 postgraduale Programme an, die international bald einen ausgezeichneten Ruf hatten. In den letzten Jahren wurde die Konkurrenz durch die anerkannten staatlichen Universitäten in diesem Bereich allerdings immer größer und so hat sich das IHS entschlossen, Kooperationen mit den Universitäten einzugehen, um den StudentInnen außer dem IHS-Diplom auch einen offiziellen Abschluss anbieten zu können. So wurde das renommierte IHS Program in Economics ab 2009 in ein MSc Economics in Kooperation mit der TU Wien umgewandelt. Als weiterführende PhD-Programme haben sich die Vienna Graduate School of Finance (ab 2005) in Kooperation mit Universität Wien und Wirtschaftsuniversität und die Vienna Graduate School of Economics (ab 2009) gemeinsam mit der Universität Wien etabliert. Die Programme in Soziologie und Politikwissenschaft wurden auf drei Jahre ausgedehnt und sind doktoratsbegleitend. Damit konnte das IHS seinen Status als Österreichs erste Postgraduate-Ausbildungsinstitution bewahren und weiter ausbauen.