Spotlight: Axel Sonntag
Axel Sonntag ist Senior Researcher im Kompetenzzentrum Insight Austria und beschäftigt sich dort mit Fragestellungen der Verhaltensökonomie.
Woran arbeitest du bei Insight Austria im Moment?
Wir arbeiten gerade an einem Projekt mit der Universität Wien, bei dem es darum geht, verhaltensökonomische Maßnahmen einzusetzen, um Studierenden zu helfen, mehr ECTS in einem Semester zu absolvieren. Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass die Regelstudienzeit für ein Bachelorstudium bei sechs Semestern liegt, die Hälfte der Studierenden aber fast doppelt so lange braucht.
Welche Maßnahmen schlagt ihr vor?
In einem Pilotversuch haben wir zunächst sieben Maßnahmen ausgerollt und auf ihre Wirksamkeit getestet. Die Maßnahme, die am besten angenommen wurde, ist ein elektronisches Planungstool, mit dem Studierende zu Semesterbeginn planen können, welche LVs sie, unter automatischer Berücksichtigung aller Voraussetzungsketten und des konkreten LV-Angebots, in dem konkreten Semester absolvieren möchten. Von über 70 Prozent der Studierenden wird das Tool verwendet und sehr positiv bewertet. Andere Maßnahmen, wie etwa ein Mentoring Programm, bei dem StudienbeginnerInnen durch erfahrene Studierende begleitet werden, wurden dagegen kaum angenommen.
An welchen Faktoren hängt die Akzeptanz solcher Maßnahmen?
Letztlich liegt es bei den Studierenden, die selbst am besten wissen, was sie brauchen, und das lässt sich im Vorhinein von der Uniadministration oft nicht gut vorhersagen. Deshalb plädiert Insight Austria auch dafür, Dinge auszuprobieren und zu experimentieren. Mit Experimenten kann einerseits getestet werden, inwieweit Maßnahmen angenommen werden, zusätzlich kann aber auch evaluiert werden, ob diese Maßnahmen auch die gewünschten Ziele erreichen. Das Planungstool wurde etwa gut angenommen, das eigentliche Ziel der Beschleunigung aber nicht erreicht. Der ebenfalls untersuchte Grund dafür scheint zu sein, dass die Studiengeschwindigkeit kein relevanter Faktor in der Studierendenmotivation ist. Diese Schlüsse können aber nur nach erfolgter Evaluation gezogen werden.
Wie lange läuft das Projekt schon und wie geht es nun weiter?
Wir haben im Wintersemester 2016 begonnen und sind jetzt im vierten Semester der Datenerhebung, die mit Ende des Sommersemesters auch abgeschlossen werden soll. Der zweite Teil der uns jetzt, nachdem wir die Datenlage kennen interessiert, ist, warum für die Studierenden die Geschwindigkeit nur wenig zählt. Ein möglicher Grund könnte etwa sein, dass der Studienerfolg - also Noten und Geschwindigkeit - kaum Einfluss auf das spätere Einkommen hat. Gemeinsam mit der Statistik Austria sehen wir uns nun genau das an. Das ist deshalb sehr spannend, weil es bisher nicht möglich war, die notwendigen Registerdaten miteinander verknüpft zu analysieren.
Wird es zu dem Projekt mit der Universität Wien ein Follow-Up geben?
Wir bemühen uns sehr darum, dabei wird es aber eher nicht in Richtung Studienbeschleunigung gehen. Wir wollen die Unis davon überzeugen, das Lehrmanagement auf bessere Beine zu stellen. Es ist nämlich derzeit sehr schwierig, Studierendenströme zu managen. Wir wollen so weit gehen, dass wir aus dem Nutzungsverhalten des Planungstools Rückschlüsse auf die künftige Fächerbelegung ziehen können und das zusätzlich durch Nudging zu unterstützen.
Wenn wir schon dabei sind: Was sind die Anwendungsfelder von Nudging?
Nudging kommt aus dem Englischen und bedeutet „anstupsen“. Das Grundelement von Nudges ist die Freiwilligkeit. Um beim Beispiel der Studierenden zu bleiben: Wenn jemand nicht schnell studieren will, wird man ihn/sie auch nicht mit Nudges dazu bringen können. Wichtig ist also: Es geht um Dinge, die ich selbst erreichen will, aus irgendeinem Grund aber nicht schaffe - wir sprechen dabei auch vom Mind Behaviour Gap. Nudges können wie ein Tool gesehen werden, mit dem ich das erreichen kann, was ich auch selbst erreichen will.
Wie kommt es zu deinem Interesse an Verhaltensökonomie?
Ich habe an der WU im Diplomstudium Volkswirtschaft studiert und bin in meinem Doktorat dann ins Feld der Arbeitsökonomie gekommen. Dort habe ich auch mein Interesse am Einsatz von Experimenten entdeckt und bin dadurch immer mehr mit Verhaltensökonomie in Berührung gekommen. Als Post-doc war ich dann an der University of East Anglia - ein Hub für Verhaltens-und Experimentalökonomen in Europa. Dort konnte ich dreieinhalb Jahre einschlägige Erfahrung sammeln. Danach kam ich zurück nach Wien, zunächst für ein Projekt an der Universität Wien. Nach einem Jahr gab es dann Überlegungen, die Kompetenzen in der Verhaltensökonomie in Österreich zu bündeln. Aus diesen Überlegungen wurde Insight Austria am IHS gegründet, wo ich seit Beginn mit dabei bin.
Danke für das Gespräch!