Spotlight: Jan Kluge
Jan Kluge hat in Dresden Volkswirtschaftslehre studiert und befasst sich mit regionalökonomischen Fragestellungen. Kürzlich hat er einen Policy Brief zu Regulierungen im Personenbeförderunggewerbe verfasst.
Womit befasst du dich derzeit am IHS?
Das größte Projekt, das wir derzeit bearbeiten, wird von der Österreichischen Nationalbank gefördert. Da geht es um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Wir sehen uns an, wieso Österreich in diversen Rankings weiter zurück liegt, als wir uns das wünschen würden. Dabei analysieren wir zunächst, in welchem Umfang die Volkswirtschaft zu wenig aus ihren Produktionsfaktoren herausholt. Im nächsten Schritt überlegen wir, wo Ineffizienzen liegen könnten und wie die politischen Implikationen aussehen – ob beispielsweise Investitionen in Infrastruktur oder höhere Ausgaben für Bildung helfen könnten. Im Projekt schauen wir aber nicht nur auf den ökonomischen Output, sondern berücksichtigen auch Umweltfaktoren.
Kannst du kurz über deinen Weg ans IHS erzählen?
Ich habe in Dresden Volkswirtschaftslehre studiert. Dort war ich dann auch sechs Jahre lang beim ifo Institut beschäftigt, während ich promoviert habe. Mein Schwerpunkt lag dabei immer auf regionalökonomischen Fragestellungen. Ich interessiere mich für Prozesse, die unterhalb der nationalen Ebene passieren, etwa die Verteilung wirtschaftlicher Aktivität im Raum oder die Wechselwirkungen zwischen Regionen. In Dresden ging es dabei oft um Ost-West Unterschiede und die Frage, wie man den Osten in die Nähe des westdeutschen Einkommensniveaus bringen kann. Auf europäischer Ebene ist ökonomische Konvergenz ebenfalls ein wichtiges Thema.
Dein Dissertationsthema war ebenfalls in diesem Bereich angesiedelt?
Ja, da ging es um Wachstum und Instabilität auf regionaler Ebene. Dabei standen Fragen nach der Entwicklung kleinräumiger Einheiten und ihr Verhalten in Krisenzeiten im Zentrum. In Deutschland gibt es zum Beispiel sehr spezialisierte Regionen, die etwa große Automobilcluster beheimaten und dadurch meist schneller wachsen, in Krisenzeiten aber dazu neigen, besonders stark einzubrechen. Auf der anderen Seite gibt es Regionen, die meist kaum wachsen, dafür aber sogar während der letzten Wirtschaftskrise gegen den nationalen Trend positives Wirtschaftswachstum hatten. Mein Interesse war dabei, wie resistent Regionen gegen krisenbedingte Schocks sind.
Direkt nach der Dissertation bist du dann nach Wien gekommen?
Ja, genau. Eine Uni kam für mich nicht in Frage, weil ich weiterhin in einem Bereich tätig sein wollte, wo neben akademischer Forschung auch die Politikberatung eine wichtige Rolle spielt. Deshalb bin ich Anfang 2017 ans IHS gekommen.
Ist dein jetziges Aufgabenfeld so wie du es dir gewünscht hast?
Es ist natürlich so: Wenn man viele Drittmittelprojekte oder Politikberatung macht, kann man sich die Themen nicht immer aussuchen. Das Schöne ist aber die thematische Vielfalt und die Aktualität der Forschungsthemen. Hilfreich ist dabei die Struktur am IHS, wo eine große Bandbreite an Themen aus unterschiedlichen Disziplinen abgedeckt werden kann.
Wie nimmst du als Forscher den Umstand wahr, dass Projektergebnisse nach Fertigstellung oft nicht veröffentlicht werden?
Ich würde mir natürlich wünschen, dass Ergebnisse aus Forschungsprojekten grundsätzlich veröffentlicht werden. Gerade öffentlich finanzierte Forschung muss der Öffentlichkeit auch zur Verfügung gestellt werden. Auf keinen Fall sollte das Ergebnis darüber entscheiden, ob eine Studie öffentlich gemacht wird oder nicht.
Wie ist das bei von Unternehmen beauftragten Studien?
Dort ist es oft so, dass die Ergebnisse dazu gedacht sind, für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet zu werden. Das ist auch völlig in Ordnung, solange die Auftraggeber nicht versuchen, die Ergebnisse zu beeinflussen. Das kommt aber eigentlich fast nie vor.
Gibt es in eurer Forschungsgruppe viel Zusammenarbeit mit KollegInnen aus anderen Bereichen?
Es kommt oft vor, dass wir mit anderen Gruppen am IHS oder auch mit anderen Instituten zusammenarbeiten. Wir haben aber teilweise auch sehr spezielle Projekte; da haben wir dann keine Kooperationspartner.
Du hast kürzlich einen Policy Brief zum Thema Innovationen im Personentransportgewerbe geschrieben, wie ist dein persönlicher Zugang zu dem Thema?
Man muss die richtige Balance zwischen Regulierung und Liberalisierung finden. Als Ökonom lernt man zunächst, dass sich der Markt möglichst frei entfalten soll, um die besten Ergebnisse zu bringen. Dass es Regulierung braucht, ist aber natürlich klar; schon allein deshalb, weil Märkte in der Realität oft nicht so funktionieren, wie wir uns das wünschen würden. In bestimmten Märkten könnte man aber gelegentlich darüber nachdenken, ob gewisse Regulierungen noch Sinn ergeben. Ich glaube, der Personenbeförderungsmarkt ist so einer, den man über die Jahrhunderte mit immer neuen Regeln beladen hat, ohne zu hinterfragen, ob die alten noch ihre Berechtigung haben. Wenn sich in Zeiten des mobilen Internets mancher Marktfehler, der in der Vergangenheit mit staatlichen Eingriffen gelöst werden musste, von selbst in Luft auflöst, dann ist das doch eine gute Sache. Insofern bin ich gern gelegentlich die Stimme, die zu etwas mehr Liberalisierung aufruft, ohne natürlich gleich marktradikal sein zu wollen.
Danke für das Gespräch!
Policy Brief: Das Taxigeschäft im Umbruch
Der Markt für Personenbeförderung in Wien unterliegt vielfältigen Regulierungen. Neue Akteure – wie Uber oder Taxify – haben nun begonnen, die derzeitige Geschäftspraxis herauszufordern.