60 Jahre Forschung, die zählt

Aufbruch und Neuausrichtung

Autoren: Andreas Huber, Thomas König

Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des Instituts für Höhere Studie, werfen wir in einer zweiteiligen Blog-Serie einen Blick zurück auf die Entwicklung des Instituts. Der erste Teil ist hier erschienen, in diesem zweiten Teil geht es um die Phase des neuerlichen Aufbruchs in den 90er-Jahren und die Neuausrichtung ab den 2010er-Jahren.


 

Aufbruch (1992 bis 2000)

Anfang der 1990er-Jahre landete ein neuer, dynamischer und charismatischer Direktor am Institut: Bernhard Felderer, zugleich neu berufener Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum. Es kam zu organisatorischen Veränderungen: 1992/93 wurde die Abteilung Betriebswirtschaft/Operations Research eingestellt, 1997/98 die für MMC; stattdessen gesellten sich Studierende des Programms Applied Economics zu den Scholaren und Scholarinnen am Institut. Auch wenn das AE-Programm von kurzer Dauer war (bis 1996/97), so wurde die Richtung für die nächsten Jahre deutlich: Hinwendung zur Ökonomie und auch auf die angewandte (projektbasierte) Forschung. Die Subventionen, insbesondere aber die Projektmittel stiegen deutlich an, bis 1998/99 stieg der Anteil der Drittmittel gar auf 40 Prozent. Die Gruppe des wissenschaftlichen Personals wuchs bereits ab 1992, davon profitierte vor allem die Ökonomie, aber auch die Soziologie. In der Politikwissenschaft hingegen blieb die Zahl der Mitarbeitenden konstant. Auch die Zahl der Scholarinnen und Scholaren wuchs neuerlich. Ab dem Studienjahr 1998/99 war die Ökonomie/Volkswirtschaftslehre zudem mit einer zweiten Abteilung ausgestattet. Ab 1994/95 saß die Nationalbank wieder mit drei Vertretern im Kuratorium, wohingegen erstmals in der Institutsgeschichte kein Regierungsmitglied mehr dem Kuratorium angehörte: Heinrich Neisser, der Präsident des Kuratoriums blieb, war inzwischen aus der Regierung ausgeschieden.

Blütezeit (2000-2011)

Das Wachstum des IHS schien auch im zweiten Jahrzehnt unter Felderer unaufhaltsam. Ab 2004 ging die Zahl der Scholarinnen und Scholaren noch einmal nach oben, aber auch Praktikantinnen und Praktikanten sowie wissenschaftliche Hilfskräfte wurden am Institut – vor allem, so ist anzunehmen, im Rahmen von Projekten – zunehmend zur Unterstützung des Forschungsbetriebs verwendet. Das Institut holte namhafte Gastprofessorinnen und -professoren, und war erfolgreich in der Projektakquise – sowohl im nationalen als auch im europäischen Markt. 2009 war der Plafond bei den Einnahmen erreicht, erste Brüche zeichneten sich allerdings bereits davor in der Lehre ab: Spätestens ab dem Studienjahr 2004/05 waren zunehmend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von österreichischen Institutionen für die Ausbildung am IHS verantwortlich. Das Jahr 2011 markiert den Höhepunkt der quantitativen Dominanz von Ökonomen und Ökonominnen: Nicht weniger als 71 Prozent der wissenschaftlichen Angestellten (ohne Hilfskräfte und Auszubildende) waren dieser Disziplin zuzuordnen. Im selben Jahr fand ein abrupter Wechsel bei den Subventionsgebern statt: das Wissenschaftsministerium zog sich weitgehend zurück, während das Finanzministerium den Großteil der Subventionen fürs IHS übernahm.

Neuausrichtung (ab 2011)

Die bislang letzte Phase in der Geschichte des Instituts für Höhere Studien war gezeichnet von einer Neuausrichtung, die kontrovers verlief. 2012 lief die vierte Amtszeit von Bernhard Felderer aus und das Kuratorium bestellte Christian Keuschnigg zum Nachfolger. Dieser trat aber 2014 ab, nachdem sein Vorhaben, die Abteilungen Soziologie und Politikwissenschaft abzuschaffen, am Widerstand des Kuratoriums und der Belegschaft gescheitert war. Es folgten „Übergangs“- bzw. interimistische Direktoren (Sigurd Höllinger und Thomas Czypionka) und ein Strategiefindungsprozess, mit dem die Scholarinnen- und Scholarenausbildung durch ein Nachwuchsprogramm ersetzt wurde und das Institut in interdisziplinäre Forschungsgruppen reorganisiert wurde. Dieser Umbau wurde unter Martin Kocher, der ab Sommer 2016 Direktor war, schrittweise vollzogen. Die Finanzierung des Instituts konnte erhalten bleiben, der Drittmittelanteil stieg aber zeitweise auf über 50 Prozent. Es erfolgte auch eine vollständige Neukonstituierung des Kuratoriums: Kein Mitglied des Jahres 2012 war mit Ende 2016 noch im Amt. Franz Fischler löste Neisser als Präsident ab. Sowohl Banker/innen als auch Universitätsprofessoren hatten an Stellenwert verloren, höhere Beamte (Abteilungsleiter, Sektionschef) indes an Einfluss gewonnen.


Die Ausarbeitung dieses Textes erfolgte im Rahmen des OeNB Projektes „Schmiede sozialwissenschaftlicher Eliten“.