Bildungsarmut - Ursachen und Lösungsansätze
Bildungsarmut ist auch in Österreich wahrnehmbar und vor allem innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen ein spürbares Problem. Welche Ursachen hat die Ungleichverteilung und welche Lösungsansätze sind denkbar?
Autor: Mario Steiner
Im ersten Teil dieses Artikels wurde das Konzept der Bildungsarmut näher beschrieben und gezeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit davon betroffen zu sein, regional und sozial sehr unterschiedlich gestaltet. Eine Ursache für diese teils hohen Unterschiede kann auch in strukturellen Elementen gefunden werden. Gibt es vor Ort etwa kein „interessantes“ Arbeitsangebot (d.h. Branchen mit vergleichsweise geringen Qualifikationsanforderungen dominieren), verlassen vor allem höher Gebildete, die örtlich ungebunden sind, die Region. Das führt für benachteiligte Personen zu weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, was wiederum den Anteil früher BildungsabbrecherInnen senkt. Ein (für bestimmte Bevölkerungsgruppen) unattraktives Arbeitsangebot vor Ort führt also - auf den ersten Blick paradoxerweise - zu einem geringeren Anteil früher BildungsabbrecherInnen. Ein Erklärungsansatz, um das hohe Gefälle zwischen Stadt und Land zu erklären, bezieht sich auf die Art und Weise, wie Integration in die Gesellschaft funktioniert. Während die Stadt durch Anonymität und weniger soziale Verbindlichkeit geprägt ist, gibt es am Land eine stärkere soziale Kontrolle aber auch stärkere soziale Netzwerke. Dies trägt dazu bei, dass die Abbruchsquoten in der Stadt höher und am Land niedriger sind. Aber auch die Integration unterscheidet sich zwischen Stadt und Land. In der Stadt funktioniert Integration vor allem über das vorhandene Unterstützungsangebot (etwa durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen), die allen offen stehen, während die Integration am Land vor allem über die Sozialbeziehung funktioniert. Teil einer Gemeinschaft zu sein, führt dort dazu, dass der Anteil früher BildungsabbrecherInnen geringer ist. Umgekehrt erklärt das, wieso sich das Verhältnis Stadt zu Land, was die Höhe der Abbruchquoten betrifft, bei MigrantInnen umkehrt: Personen mit Migrationshintergrund sind selten Teil der integrationsfördernden sozialen Netzwerke, was den Anteil früher BildungsabbrecherInnen unter MigrantInnen am Land erhöht statt senkt und Quoten zu Folge hat, die teils deutlich über jenen in der Stadt liegen.
Maßnahmen gegen Bildungsarmut
Um das Problem der Bildungsarmut zu bekämpfen, sind vielschichtige Maßnahmen notwendig. Die Interventionen in Österreich haben sich lange Zeit auf Kompensationsmaßnahmen konzentriert. Eines der Reformvorhaben, das darüber hinausgeht, ist die Ausbildung bis 18. Dabei wird für SchülerInnen, die in der Schule Schwierigkeiten haben, nicht einfach nur die ASchulpflicht um drei Jahre verlängert, sondern es wird ihnen die Möglichkeit eröffnet, einen Bildungsabbschluss auch durch andere Angebote erreichen können. Darunter fallen etwa Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik oder der Erwachsenenbildung, wo teils andere pädagogisch didaktischen Grundsätze zur Anwendung kommen. Ein besonderes Element dabei ist auch das Jugendcoaching. Mit diesem Interventionsangebot können abbruchgefährdete Jugendlichen durch persönliche Beratung und Begleitung im System gehalten werden. Ein Entwicklungsbereich für die österreichische Strategie zur Verhinderung des frühen Bildungsabbruchs liegt in der Stärkung der Prävention. Ein Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang wäre, anstelle der Selektion stärker die Ressourcenorientierung in den Vordergrund zu rücken.
Weiterführende Literatur
Steiner, Mario (2019) Bildungsarmut Jugendlicher - Ein in Österreich unterschätzter Problembereich. In: Niederer, Elisabeth and Jäger, Norbert, (eds.)Bildungsbenachteiligung: Positionen, Kontexte und Perspektiven. Klagenfurter Beiträge zur Bildungsforschung und Entwicklung (2). Innsbruck: Studienverlag, pp. 78-89.