Nobel-e Gäste am IHS
Die wissenschaftliche Vernetzung spielte in den vergangenen 60 Jahren stets eine zentrale Rolle am Institut für Höhere Studien. Unter den Gästen befanden sich einige, die später höchste internationale Anerkennung fanden.
Autoren: Andreas Huber, Thomas König
Eine wesentliche Funktion des IHS besteht seit seiner Gründung vor 60 Jahren darin, herausragende Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler:innen nach Wien zu bringen. Bisher zählen wir insgesamt über 800 wissenschaftliche Gäste, die wenigstens für ein paar Wochen, teilweise auch über ein ganzes Semester, am Institut geblieben sind. Insbesondere für die Nachwuchswissenschafter:innen am IHS waren (und sind) diese Gäste attraktiv, boten sie doch immer auch spezialisierte Kurse an, nicht zuletzt in Methoden der empirischen Sozialforschung und Ökonometrie.
Bereits in den ersten Jahren lotsten die damaligen Direktoren Sagoroff, Morgenstern und Toman prominente Wissenschaftler nach Wien. Das IHS hatte damals aufgrund der großzügigen Unterstützung der Ford Foundation die finanziellen Mittel, Personen wie etwa den Soziologen Talcott Parsons oder den Politikwissenschaftler Henry Kissinger als Gäste einzuladen. Kissinger sollte wenig später als US-Außenminister weltberühmt werden.
Ein aussagekräftiger Indikator darüber, welche Bedeutung das Gästeprogramm des Instituts erlangte, ergibt sich aus der Zahl der Nobelpreisträger, die sich unter den Personen befanden. Dabei ist hinzuzufügen, dass nur etwas mehr als ein Drittel aller Gastprofessoren am Institut der Ökonomie zuzurechnen sind. Unter diesen befinden sich 15, welche später – also nach ihrem Aufenthalt am IHS – den „Nobel Memorial Prize in Economic Sciences“ (wie der Wirtschaftsnobelpreis offiziell heißt) erhalten sollten. Gemessen an den bis dato 92 Wirtschaftsnobelpreisträger:innen (darunter übrigens nur zwei Frauen) hatte also etwa jeder Sechste in der Vergangenheit am IHS unterrichtet.
Daraus darf man zwar nicht schließen, dass ein Aufenthalt am IHS ein Mitgrund für die Verleihung des Preises gewesen sei. Aber es verrät, dass erfolgreiche internationale Topwissenschaftler:innen identifiziert und ans Institut geholt wurden. Auffallend ist auch die Verteilung: zehn spätere Preisträger waren in den 1960er- und 1970er-Jahren am IHS. Wie hoch das wissenschaftliche Renommee der Gastprofessoren in diesem Zeitraum war, ist auch daraus abzulesen, dass etwa Jan Tinbergen (1969) und Kenneth J. Arrow (1972) den Nobelpreis ein Jahr nach ihrer Tätigkeit in Wien erhielten. Bei Lawrence R. Klein, der 1980 für die Konstruktion ökonomischer Konjunkturmodelle und deren Verwendung bei Analysen der Wirtschaftspolitik ausgezeichnet wurde, waren es zwei Jahre. Klein blieb dem Institut auch nach Verleihung des bedeutendsten Preises auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften erhalten – er war von 1976 bis 2001 im Wissenschaftlichen Beirat vertreten.
In späteren Jahren war die Dauer zwischen IHS-Lehrtätigkeit und Erhalt des Preises wesentlich länger: Der bis dato letzte Wirtschaftsnobelpreisträger mit IHS-Vergangenheit Ben S. Bernanke (Nobelpreis 2022) hatte 1994/95 am IHS unterrichtet; damals noch an der Princeton University tätig. Bernanke war einer von vier Wirtschaftsnobelpreisträgern, die in den 1990ern am IHS tätig waren – kaum zufällig also in der zweiten Aufbruchszeit des Instituts, in dem (wieder) große Namen, vor allem aus den USA, gewonnen wurden. Darunter Robert Fry Engle (1990/91, Nobelpreis 2003) Christopher Antoniou Pissarides (1991/92, Nobelpreis 2010) sowie Robert A. Mundell, der insgesamt drei Mal am IHS war (1992/93 sowie 1994/95 und 1995/96; Nobelpreis 1999). Im Studienjahr 2000/01 folgte Jean Tirole, der von 2001 bis 2004 dem Wissenschaftlichen Beirat des Instituts angehörte.
In den anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die am Institut vertreten sind (insbesondere Soziologie und Politikwissenschaft), besteht leider keine vergleichbare Auszeichnung, die als Proxy für den Erfolg der Einladungsstrategie des Instituts fungieren könnte. Erst seit 2004 vergibt die norwegische Regierung den Holberg-Preis, der sich mit einem vergleichbaren Preisgeld an renommierte Geistes- und Sozialwissenschafter:innen richtet. Ein schöner Erfolg in diesem Zusammenhang ist, dass der diesjährige Gewinner des Preises – Joan Martinez-Alier – am Institut eine Keynote im Rahmen des Workshops zu „Metrics of Energy“ halten wird.
Apropos Erfolg: Bisher war es den Verantwortlichen des Instituts nie gelungen, Wissenschafter:innen als Gäste ans Institut zu holen, die bereits den Nobelpreis verliehen bekommen hatten. Das dürfte sich ändern, denn zum Anlass des Institutsjubiläums hat Direktor Klaus Neusser zwei Nobelpreisträger:innen ans Institut eingeladen – mehr wird an dieser Stelle aber noch nicht verraten.