Schnittstelle für den Austausch zwischen Wissenschaft und Politik

Autoren: Martin Kocher, Thomas König

In den letzten Wochen gab es vermehrt Berichte in österreichischen Medien, welche sich mit der Frage beschäftigten, wie die österreichische Bundesregierung in der Corona-Krise ihre Entscheidungen trifft und auf welche Expertise sie dabei zurückgreift. Eine für die Öffentlichkeit bislang unklare Rolle nahm dabei das COVID-19 Future Operations Clearing Board ein. Das IHS ist stolz bekannt geben zu können, dass es in diesem Board wichtige Funktionen übernommen hat.


Das COVID-19 Future Operations Clearing Board ist eine interdisziplinäre ExpertInnenplattform aus den Bereichen der Wissenschaft und der öffentlichen Hand. In einer Demokratie sollte ein solches Gremium aus Gründen der Nachvollziehbarkeit möglichst transparent für die Öffentlichkeit sein. Nur so bleibt Vertrauen aufrecht in einer Situation, in der Expertise und demokratische Legitimation in einem delikaten Balanceakt sind. Mittlerweile ist COVID-19 Future Operations auf der Website des Bundeskanzleramts online. Aber warum erst jetzt? Der Grund dafür ist denkbar einfach: Das Clearing Board wurde in den letzten Wochen überhaupt erst aus der Taufe gehoben.

Die Einrichtung geht zurück auf die Initiative von Thomas Starlinger, Bundesminister a.D. und Adjutant des Bundespräsidenten; sie datiert auf Anfang März. Aufgegriffen wurde die Idee von Antonella Mei-Pochtler, die dem Board in der Strategiestabstelle des Bundeskanzlers (Think Austria) eine institutionelle Anbindung gegeben hat. Starlinger und Mei-Pochtler moderieren die wöchentlichen Treffen des Clearing Board.

Die Einrichtung des Boards fand während der Krise statt – sie war also alles andere als planvoll, und stark vom Enthusiasmus der beteiligten Personen geprägt. Ist das ein Nachteil? Ja, wenn man bedenkt, dass die Expertise erst zusammengeführt werden musste, die beteiligten Personen ihre Arbeitsweise zunächst festlegen mussten und Austausch erst sukzessive aufgebaut werden musste. Nein, wenn man bedenkt, dass die wissenschaftliche Communities aus verschiedensten disziplinären Richtungen bereit waren, sich rasch und unkompliziert einzubringen und das Board einen sehr offenen und integrierenden Charakter besitzt – etwas, das dem angestrebten offenen Austausch sicher entgegenkommt.

Im Board sitzen VertreterInnen von Forschungseinrichtungen und Universitäten neben solchen von Ministerien und Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM). Die Governance Strukturen sind noch weiter zu entwickeln. Aber die grundlegende Richtung ist klar: „Ziel des Clearing Boards ist es, sich interdisziplinär zu aktuellen Informationen, Daten und Analysen auszutauschen die für evidenzbasierte strategische Entscheidungen relevant sein können, sowie Erkenntnisse zu bündeln, zu vernetzen und gezielt zu erweitern um damit bessere Grundlagen zur Bewältigung der Corona-Krise zu schaffen.“

Das IHS versteht sich als Institut, welches wissenschaftlich und methodisch fundierte Antworten auf drängende Fragen der Gegenwart und Zukunft gibt. Daher ist es für uns selbstverständlich gewesen, an der Etablierung des Boards mitzuwirken – einer Schnittstelle, an der ein lebendiger Austausch zwischen Wissenschaft und Politik stattfinden kann. Von Anfang an ist Martin Kocher im Clearing Board vertreten. Damit wird das breite, interdisziplinäre Know-how des Instituts eingebracht. Außerdem ist Thomas König im Organisationsaufbau des Boards eingebunden gewesen; als Experte für Wissenschaftspolitik kennt er die damit verbundenen, organisatorischen Herausforderungen. Er wird auch weiterhin die Geschäftsstelle des Boards unterstützen.

Die Corona-Krise stellt neue Herausforderungen, die auch für die wissenschaftliche Forschung relevant sind. In Österreich wird dies an drei Punkten besonders deutlich: erstens, die Koordination von relevanten Fragen und evidenzbasierten Antworten; zweitens, die Verfügbarkeit und hochwertige Analyse von Daten; und drittens, das Formulieren der Evidenz auf eine Weise, dass damit nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden können. Das Clearing Board wird hier in Zukunft – und hoffentlich auch langfristig mit dem aufgebauten Know-how für die nächsten Krise – maßgeblich zur Verbesserung der Rahmenbedingungen beitragen.

Martin Kocher ist wissenschaftlicher Direktor des IHS und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Er leitet zudem das Kompetenzzentrum für verhaltensökonomische Forschung am IHS, Insight Austria.

Thomas König ist zuständig für Strategie und wissenschaftliche Services am IHS. Er koordiniert auch die IHS Forschungsplattform Social Science History.

(Der erste Paragraph des Texts wurde nachträglich leicht verändert, um das Rollenverständnis des Clearing Board besser auszudrücken.)