Spotlight: Nadia Steiber
Nadia Steiber ist seit Anfang des Jahres am IHS und forscht derzeit vor allem in den Bereichen Arbeitsmarktpolitik und soziale Ungleichheit.
Kannst du kurz etwas zu deinem akademischen Weg erzählen?
Ursprünglich habe ich in Wien Soziologie studiert und bin dann fürs Doktorat nach England ans Nuffield College der Uni Oxford gegangen, weil es dort eine starke Tradition der quantitativen Arbeitsmarktforschung gibt. Nach dem Doktorat bin ich für drei Jahre als Post-doc nach Florenz ans EUI und habe dort, im Rahmen eines Marie Curie Fellowship, hauptsächlich Forschung zum Thema ältere Arbeitnehmer gemacht. Dann bin ich nach Wien zurückgekommen, zuerst als Assistenzprofessorin ans Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien, und jetzt bin ich seit Jänner 2018 am IHS - als Teil der Equi-Gruppe. Gleichzeitig arbeite ich auch Teilzeit am IIASA in Laxenburg, wo ich bei einem ERC-Projekt zum Thema Ageing mitarbeite. Meine Forschung dort hat auch einen starken Bezug zum Thema Gesundheitsungleichheit in der älteren Bevölkerung.
Wie bist du auf dein Forschungsthema gekommen?
Ich habe während meiner Masterarbeit ein Austauschsemester in Finnland gemacht und da ist mir aufgefallen, dass Frauen dort viel stärker in den Arbeitsmarkt integriert sind und dass es strukturelle Faktoren geben muss, die das erklären können. Meine Masterarbeit habe ich dann über die Unterschiede zwischen Österreich und Finnland im Bereich der Frauenerwerbstätigkeit geschrieben. Davon ausgehend haben sich meine Forschungsschwerpunkte in weiterer Folge auf den Arbeitsmarkt konzentriert.
Immer schon quantitativ?
Ja. Das war auch ein Hauptgrund ans IHS zu kommen, weil hier großartige Datenschätze vorhanden sind, mit denen man sehr viel machen kann. In unserer Forschungsgruppe decken wir aber alles ab, von interpretativer Forschung bis zu ökonometrischen Analysen.
Haben sich deine Schwerpunktthemen mit der Zeit verändert?
Ja, am Anfang hat mich vor allem das Thema Gender und Arbeitsmarkt interessiert, dann auch stärker junge und ältere ArbeitnehmerInnen. Beziehungsweise interessiert mich auch die sogenannte „Rush Hour of Life“ - also wenn die jüngeren Erwachsenen gleichzeitig Karriere machen wollen, das aber auch genau der Zeitraum ist, in dem sie Familie gründen und die Work-Life Balance zum dominanten Thema wird. Im Zentrum meiner Forschung stand dabei immer das Thema Qualität der Arbeit.
Siehst du Veränderungen im Arbeitsmarkt, seit du dich damit wissenschaftlich auseinandersetzt?
Gerade beim Thema ältere ArbeitnehmerInnen gibt es laufend Veränderungen und einen großen politischen Druck. Auf der einen Seite gibt es seitens der Politik den Wunsch, dass alle länger im Arbeitsmarkt verbleiben sollen, auf der anderen Seite wird aber nicht genug getan, um in die Gesundheit der älteren ArbeitnehmerInnen zu investieren. Gesundheitsprävention müsste eigentlich im Vordergrund stehen. Ein Thema, das mich dabei sehr stark interessiert, ist die soziale Ungleichheit. Man müsste mitberücksichtigen, dass die Menschen unterschiedlich lange Lebenserwartungen haben und kann eigentlich nicht verlangen, dass diejenigen die kürzer leben - zum Teil weil sie gesundheitsgefährdende Jobs haben - gleich lange arbeiten müssen. In den USA ist beispielsweise durch Studien belegt, dass ein großer Teil der afroamerikanischen Bevölkerung das angestrebte höhere Pensionsalter nicht erleben wird. Dahinter steckt eine große soziale Ungleichheit, die aber nie thematisiert wird.
Kurz zu deinem persönlichen Hintergrund, wann war für dich klar, dass du in die Forschung möchtest?
Das war mir eigentlich klar während ich an der Diplomarbeit gearbeitet habe. Die Auslandserfahrung hat mir ermöglicht, internationale Forschungsluft zu schnuppern und da war es für mich klar, dass ich das machen möchte.
Helfen dir deine internationalen Erfahrungen in der jetzigen Arbeit?
Es ist schon gut, mit unterschiedlichen Forschungsgruppen international zusammen zu arbeiten, weil man sich so selbst besser positionieren kann. Ich habe bisher auch immer international vergleichende Forschung gemacht und fange erst jetzt damit an, Forschung spezifisch zu Österreich zu machen. Hätte ich diesen internationalen Vergleich nicht, könnte ich wahrscheinlich auch die Strukturen in Österreich weniger gut einschätzen. Zusätzlich ist es natürlich auch persönlich sehr bereichernd, im internationalen Kontext zu arbeiten.
Was wären Projekte oder Bereiche, in denen du künftig noch stärker arbeiten willst?
Ein spannendes Thema für die Zukunft sind sicher die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Auch was das in Bezug auf die Verteilung von Arbeit und Arbeitsqualität auf unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft bedeutet. Eine wichtige Frage ist auch, ob sich das Qualitätsprofil von Arbeit polarisiert, dass es also nur mehr sehr gute und sehr schlechte Jobs gibt und keine „mittelguten“ und ob das nicht nur im Hinblick auf Löhne passiert, sondern auch im Hinblick auf andere Indikatoren von Beschäftigungsqualität.
Danke für das Interview!