Direktoren des IHS: ein Kollektivporträt

Authoren: Andreas Huber und Thomas König

Die Ernennung Martin Kochers zum Arbeitsminister am 11. Jänner dieses Jahres kam nicht nur überraschend, es war für das IHS eine Premiere: Erstmals in der knapp 60-jährigen Geschichte des Instituts wechselte sein Direktor geradewegs in die Politik. Die Personalie und die derzeit anlaufende Suche nach einem Nachfolger bzw. einer Nachfolgerin werfen ein paar interessante Fragen auf: Wechselten andere Direktoren auch schon in politische Funktionen – und wenn ja, in welche? Sind vorzeitige Abgänge von Institutsdirektoren die Regel? Welchen Disziplinen sind die bisherigen Leiter zuzuordnen? Und kann man aus den bisherigen Direktoren Vermutungen über die nächste Bestellung treffen? Grund genug also, die bislang elf Direktoren des IHS im Rahmen eines Kollektivporträts näher zu betrachten.


Einen Direktor hatte das IHS bereits vor seiner offiziellen Gründung: Am 9. Oktober 1962 wählte das provisorische Kuratorium den aus Bulgarien stammenden Statistiker und Ökonomen Slavtscho Sagoroff an die Spitze des Instituts (dem er bis 1965 vorstand); er hatte zu dem Zeitpunkt seine politisch aktive Zeit aber bereits hinter sich, war er doch von 1939 bis 1941 Minister für Handel, Industrie und Arbeit in Bulgarien gewesen. Ihm zur Seite stand bis 1964 ein beigeordneter Direktor (Adolf Kozlik) zur Seite, der während seiner amerikanischen Emigration zwar keine offizielle politische Funktion ausübte, aber in geheime Operationen zur Niederringung des Nationalsozialismus eingebunden war. Auch Hans Seidel hatte seine politische Karriere als Staatssekretär im Finanzministerium hinter sich, ehe er als Direktor ans IHS kam (1984-1990). Dagegen gab es – bis vor kurzem – nur einen, der nach der Leitung des IHS eine erfolgreiche politische Karriere einschlug, nämlich Gerhart Bruckmann (1968–1973), der 1986 bis 1994 sowie 1999 bis 2002 ÖVP-Nationalratsabgeordneter war.

Neben den schon erwähnten Sagoroff, Bruckmann und Kocher waren noch fünf weitere Direktoren als Universitätsprofessoren ans IHS gekommen und übten während ihrer Amtszeit beide Funktionen (mehr oder weniger) parallel aus. Das garantierte dem Institut hochkarätige und international renommierte Wissenschaftler an der Spitze. Zuweilen hatte es auch lange Bestand (Bernhard Felderer, 1991–2012), war mitunter aber auch ausschlaggebend oder mitverantwortlich für verfrühte Abgänge, etwa bei Walter Toman (1966–1967), der als Professor der Universität Erlangen-Nürnberg keine weitere Dienstfreistellung erhielt. Aufgrund neuer Posten wurden Amtszeiten dagegen nur selten abgebrochen: Gerhard Schwödiauer (1973–1979) ging als Professor nach Bielefeld und Ernst Florian Winter (1967–1968) zur UNESCO nach Paris.

Als das IHS 1963 offiziell seinen Betrieb aufnahm, standen Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie als gleichberechtigte Disziplinen nebeneinander, und das blieb bis zum Ende der 1980er-Jahre – abzulesen etwa an der Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – so. Danach änderten sich die Kräfteverhältnisse allmählich zugunsten der Ökonomie, was sich auch bei den Direktorenbestellungen niederschlug. Sieben der elf Institutsleiter rekrutierten sich aus den Wirtschaftswissenschaften. Zwei der Ökonomen, Hans Seidel (1984–1991) und Oskar Morgenstern (1965–1966), hatten zuvor bereits das WIFO bzw. dessen Vorgängerinstitution, das Österreichische Institut für Konjunkturforschung geleitet. Die vier Nicht-Ökonomen waren Walter Toman, Ernst Florian Winter, Anatol Rapoport (1980–1983) und Sigurd Höllinger (2015–2016). Interessanterweise summiert sich die Amtszeit dieser vier Direktoren aber auf insgesamt gerade einmal etwas mehr als sechs Jahre. Freilich greift die Verortung nach Disziplingrenzen in der Praxis etwas zu kurz: So kamen Oskar Morgenstern und Anatol Rapoport zwar aus unterschiedlichen Fachrichtungen, sie zählen aber beide zu den Pionieren und wichtigsten Vertretern der Spieltheorie.

Mit Ausnahme Martin Kochers waren alle bisherigen Direktoren entweder in Wien geboren oder sie hatten zumindest ein paar Jahre als Studenten oder Wissenschafter in der Bundeshauptstadt verbracht. Augenscheinlich ist auch der Bezug zum Institut: Nur Kocher und Bernhard Felderer (der Gründungsdirektor natürlich ausgenommen) hatten vor der Bestellung keine Funktion am IHS wahrgenommen. Walter Toman, Anatol Rapoport und Hans Seidel (1984–1991) hatten dem wissenschaftlichen Beirat angehört, Sigurd Höllinger war Mitglied des Kuratoriums gewesen, Gerhart Bruckmann, Ernst Florian Winter und Christian Keuschnigg (2012–2014) waren hier als Scholaren bzw. Assistenten tätig gewesen, und Gerhard Schwödiauer hatte gar alle wissenschaftlichen Stationen durchlaufen: vom Scholar zum Assistenten und Abteilungsleiter zum beigeordneten Direktor wurde er schließlich 1973 zum Leiter des Instituts gewählt. Mit gerade einmal dreißig Jahren ist er der bislang jüngste gewählte Direktor.

Noch eine Gemeinsamkeit haben alle elf bisherigen Direktoren: alles Männer. Wollte man anhand der Curricula Vitae einen Blick in die Zukunft werfen, spräche also viel für einen Ökonomieprofessor einer deutschsprachigen Universität mit IHS-, in jedem Fall aber Wien-Bezug im Alter von etwa 50 Jahren als neuem Direktor. Was die Geschichte des Instituts aber durchaus lehrt: Mit den Traditionen und Erwartungen wird ab und an auch gebrochen.