Ein queeres Jugendzentrum für Wien?
Autor: Sascha Harold
Braucht es ein eigenes Zentrum für queere Jugendliche in Wien? Mit dieser Frage befasst sich das IHS derzeit in einem Forschungsprojekt für die Stadt Wien.
Wien kann auf eine lange, erfolgreiche und vielfältige Tradition der Jugendarbeit zurückblicken. Koordiniert von der MA13 bieten unterschiedliche gemeinnützige Vereine mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen in Jugendzentren, aber auch in der Aufsuchenden und Mobilen Kinder- und Jugendarbeit, der "Wiener Parkbetreuung", mit Fair-Play-Teams in 15 Wiener Bezirken und in diversen Initiativen Freizeitangebote für Jugendliche.
Queere Jugendliche sind in den bestehenden Einrichtungen vertreten, es gibt aber keinen dedizierten Ort, der nur für LGBTIQ Jugendliche (und deren Allies) bestimmt ist. In einem aktuellen IHS-Projekt wird nun untersucht, welche spezifischen Bedarfe es in der Jugendarbeit mit und für queere Jugendliche gibt und wie ein queeres Jugendzentrum konzipiert sein könnte.
Interessant ist, dass nicht nur in Wien immer mehr Jugendliche queere Jugendangebote aufsuchen und nachfragen.
Teil der Bedarfserhebung ist ein partizipativer Prozess, der als Kick-off in Form eines Online-Symposiums erfolgte und Expert:innen, die gegenwärtig in der queeren Jugendarbeit in Wien tätig sind und Vertreter:innen der Stadt Wien zusammenbrachte. Dort wurden Bedarfe angesprochen und Trends diskutiert. Projektleiterin Karin Schönpflug fasst einige der wichtigsten Erkenntnisse daraus zusammen: „Interessant ist, dass nicht nur in Wien immer mehr Jugendliche queere Jugendangebote aufsuchen und nachfragen. Auch sind die Bedürfnisse von lesbischen, schwulen, trans, inter oder auch non-binären Jugendlichen zwar einerseits unter dem LGBTI-Schirm fassbar, doch sind sie andererseits aber auch sehr unterschiedlich. Hinzu kommen die große Altersspanne von 13 bis -25 Jahren und unterschiedliche persönliche Erfahrungen betreffend Migrationsbiografien oder Fluchterfahrung, Bildungshintergrund und Schichtzugehörigkeit sowie Diskriminierungserfahrungen insbesondere auf Grund von Rassismus. Diese steigenden und komplexer werdenden Anforderungen bringen Peer-Beratungen und die ehrenamtliche Community Arbeit an ihre Grenzen. Eine Professionalisierung ist hier sicherlich notwendig, die jedoch wiederum dem demokratischen Verständnis einer Selbstorganisierung widersprechen mag“, so Schönpflug weiter.
In vielen deutschen Städten wurden jedenfalls bereits dediziert queere Jugendzentren gegründet. Mobbing und Gewalterfahrungen sind Themen, die dort unter anderem aufgearbeitet werden können, denn gerade im öffentlichen Raum sind das Probleme, mit denen queere Jugendliche häufig konfrontiert sind. „In diesem Bereich braucht es viel sozialpädagogisches Know-how aber auch Wissen aus der gewachsenen Jugendarbeit der queeren Community. Eine quantitative Analyse der bestehenden Jugendarbeit in Wien zeigt, dass queere Angebote in bestehenden Institutionen in sehr unterschiedlicher Intensität gesetzt werden“, erläutert Schönpflug. Im Forschungsprojekt sollen als nächster Schritt qualitative Befragungen mit Jugendlichen und Jugendarbeiter:innen durchgeführt werden, um zu ermitteln, welche konkreten Bedarfe es gibt. Im Herbst soll die Erhebung abgeschlossen sein.