Frauen am IHS
Autoren: Andreas Huber und Thomas König
Im letzten Blogbeitrag haben wir eine kurze Kollektivbiographie der Direktoren des IHS verfasst. Bisher waren das alles Männer – aber wenn schon bisher nicht in der wissenschaftlichen Leitung, so haben Frauen doch maßgeblich die Geschichte des Instituts mitgeprägt.
Zu seinem 30-jährigen Bestehen im Jahr 1993 machte sich das IHS ein besonderes Geschenk: Ehemalige Direktoren und wissenschaftliche MitarbeiterInnen ließen in einer Festschrift die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren und hoben mitunter auch die Bedeutung des Instituts für ihre eigene Laufbahn hervor. Unter den durchwegs prominenten 17 AutorInnen fand sich mit der Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny aber gerade mal eine einzige Frau. Knapp anderthalb Jahrzehnte später, im Studienjahr 2006/07, war die Führungsebene (Direktion, Kuratorium, wissenschaftlicher Beirat) sogar durchwegs mit Männern besetzt – 24 an der Zahl. War das IHS seit seiner Gründung im Jahr 1963 also eine Männerdomäne? Warum hatten es Frauen schwer an diesem Institut bisher in höhere Posten zu gelangen? Der Internationale Frauentag bietet einen willkommenen Anlass, sich dieser Frage anzunähern und den Blick auf die (ehemaligen) Mitarbeiterinnen zu richten.
Fest steht, dass es sich beim überwiegenden Großteil der bisherigen Kuratoriums- und Beiratsmitglieder um Männer handelte und die wissenschaftliche Leitung des Instituts bislang ausschließlich Männern oblag. Wirft man den Blick aber auf die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, ihren Forschungsoutput am Institut und ihre weiteren Karrierewege, so wird deutlich, dass das Institut bereits in jungen Jahren eine wichtige Rolle bei der Etablierung von Frauen in der österreichischen Wissenschaft spielte und diese wiederum enormen Anteil an der frühen Institutsentwicklung hatten.
Die erste prominente Mitarbeiterin des Instituts war freilich keine Wissenschaftlerin, sondern mit Freda Pawloff die Generalsekretärin. Sie hatte davor in der Sozialwissenschaftlichen Abteilung der UNESCO in Paris gearbeitet und gehörte 1962/63 zum IHS-Gründungsteam. Als solche war sie eine der Hauptverantwortlichen für den Aufbau des Instituts und seine – zum Teil bis heute bestehenden – Strukturen. Ende Mai 1968 zog es sie erneut nach Paris und sie verließ das Institut. Der breiten österreichischen Öffentlichkeit wurde Pawloff spätestens 1986 bekannt, als sie – unter dem Namen Freda Meissner-Blau – als Spitzenkandidatin der neu gegründeten Partei Grüne Alternative bei der Nationalratswahl kandidierte. Interessanterweise wurde die Funktion der Generalsekretärin nach Pawloff nicht neuerlich besetzt und erst mit der Reform 2015 wieder eingerichtet – nunmehr auch deutlich aufgewertet als Geschäftsleitung neben der wissenschaftlichen Leitung (dem Direktor – oder zukünftig vielleicht auch der Direktorin). Die Stelle wird seit 2019 wiederum von einer Frau besetzt, nämlich Eva Liebmann-Pesendorfer, die die Institutsleitung derzeit mit Präsident Franz Fischler gemeinsam ausübt und das Tagesgeschäft allein verantwortet.
Ende der 1960er-Jahre, als Meissner-Blau das Institut verließ, bewarben sich auch zunehmend Frauen um die – damals übrigens sehr gut dotierten – Posten als Scholarinnen und Scholaren, mit denen eine zweijährige Postgraduate-Ausbildung in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie einherging. In den 1970ern wurden Frauen auch vermehrt – in den meisten Fällen direkt nach Abschluss der Scholarinnenausbildung – als Assistentinnen angestellt. In der Politikwissenschaft waren das etwa Dorit Kramer und Eva Kreisky, in der Soziologie Irmtraut Karlsson und Marina Fischer-Kowalski. Helga Nowotny konnte mit 1. Februar 1970 als erste Frau eine der damals fünf Abteilungen leiten: jene für Soziologie. Für sie, aber auch andere erwiesen sich die Forschungen am IHS, wo die Hierarchien nicht so stark ausgeprägt waren wie an den Universitäten, als Sprungbrett zu Auslandsstipendien wie auch zur Habilitation und Stellen an den Hochschulen. So wechselte etwa Helga Nowotny nach ihrem Abschied vom Institut 1972 für ein Sabbatical ans King’s College Cambridge und habilitierte sich später in Bielelfeld. Abteilungsleiterin am IHS war auch Eva Kreisky, die sich währenddessen an der Universität Wien habilitierten konnte und 1989 – nach zehn Jahren an der Spitze der politikwissenschaftlichen Sektion – als Professorin nach Berlin ging.
In der bis 2015 bestehenden Abteilungsstruktur des IHS waren in den Abteilungen für Soziologie und Politikwissenschaft Frauen also seit Längerem in leitenden Positionen tätig; zuletzt waren das Claire Wallace und dann Beate Littig in der Soziologie und Gerda Falkner in der Politikwissenschaft. Auch in der Gruppe der Studierenden war in diesen beiden Disziplinen spätestens ab den 1990er-Jahren Geschlechterparität gegeben. Anders verhielt es sich – um bei den drei bis 2015 bestehenden Abteilungen zu bleiben – in der Ökonomie, wo auch nach der Jahrtausendwende Männer im wissenschaftlichen Personal stets deutlich in der Mehrheit waren. Einerseits spiegelt das natürlich nur die Situation an den Hochschulen und in den betreffenden Studiengängen wider; zugleich darf man schon anmerken, dass die Ökonomie auch am IHS deutlich länger eine Männerdomäne blieb als die anderen Abteilungen.
Bedeutende Ökonominnen unter den IHS-Absolventinnen muss man aber dennoch nicht mit der Lupe suchen. Dalia Marin etwa verzeichnete eine ähnliche IHS-Laufbahn wie Eva Kreisky in der Politikwissenschaft: Der zweijährigen Scholarinnenausbildung folgte eine mehrjährige Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin, während derer sie sich habilitierte, bis sie 1994 eine Professur an der FU Berlin annahm und später an die Universität München wechselte.
Mit der Umstellung der Organisationsstruktur des IHS hat 2016 eine neue Epoche begonnen, die sich auch auf die Angestelltenverhältnisse am IHS auswirkt. Insbesondere wird deutlich mehr Augenmerk auf Anstellung aller am Institut arbeitenden Personen gelegt, weshalb die Zahl der IHS-Angestellten auch deutlich gestiegen ist. Die Geschlechterverteilung unter dem wissenschaftlichen Personal des Instituts ist weitgehend ausgeglichen: knapp unter 50% waren 2019 Frauen. Allerdings ist eine solche Verteilung auf Ebene der Leitung der nunmehr acht, weitgehend interdisziplinären und themenbezogenen Forschungsgruppen am IHS leider noch nicht erreicht: aktuell stehen sechs Männern zwei Frauen gegenüber. Es gibt also noch einiges zu tun.